Nachdem sich Texte zur Kunst in den vergangenen Jahren regelmäßig mit den veränderten Bedingungen des Kunstmarkts oder der Wertfrage beschäftigt hat, widmet sich diese September-Ausgabe den verschiedenartigen Umstrukturierungen des Kunstfelds hin zu einem resort-ähnlichen Gefüge. Über den von Isabelle Graw eingeführten Neologismus „Resortisierung“ wird das Konzept des Urlaubsresorts heuristisch nutzbar gemacht, um die gegenwärtigen Veränderungen der ökonomischen und sozialen Infrastruktur des Kunstmarkts online sowie offline zu analysieren. Den Folgen dieses Strukturwandels für die Kunstkritik wie für die Produktionsbedingungen von Künstler*innen geht diese Ausgabe nach. Mit Resortisierung ist dabei nicht nur die Tendenz diverser Blue-Chip-Galerien gemeint, einem Teil ihrer wohlhabenden Käufer*innen in die Abschottung exklusiver Luxusenklaven wie Aspen, Saint-Tropez oder Monte-Carlo zu folgen. Als prozessualer Begriff bietet sich Resortisierung auch zur Umschreibung der Transformation des Kunstfelds in den Sozialen Medien an, in denen Wertbildungsprozesse aktuell stattfinden. Zwar stehen Plattformen wie Instagram und Co. im Unterschied zum abgeschotteten Ferienresort prinzipiell allen offen, doch lässt sich auch die Verschiebung künstlerischer Tätigkeiten in den digitalen Raum mit diesem Begriff umschreiben, da hier ebenfalls eine abgekoppelte Welt entsteht. Man kann also von einem erneuten Strukturwandel sprechen, insofern sich mit der Schaffung analoger wie digitaler Resorts nicht nur die Kunstöffentlichkeit verändert, sondern auch die Produktionsbedingungen und Referenzsysteme von Künstler*innen. Dabei war das Internet lange Zeit mit dem Versprechen einer Reaktivierung emanzipatorischer und demokratischer Strukturen assoziiert. Die bisherigen privilegierten und meist weißen Gatekeeper konnten umgangen werden, was folglich eine größere Präsenz diverser Stimmen und minoritärer Positionen ermöglichte. Mittlerweile schaffen dominierende Plattformunternehmen auch hier eine ökonomisierte und regulierte – also resort-ähnliche – Sphäre. Im Zuge des weltweiten Lockdowns und der damit einhergehenden Schließung von Kunstinstitutionen, Galerien und Off-Spaces verlagerte sich der Austausch ins Internet, was diese Entwicklung weiter vorantrieb. Neu geschaffene Plattformen für Verkäufe (Online Viewing Rooms), die Etablierung von NFTs als künstlerisches (und verkäufliches) Medium, aber auch die Flut von Livestreams und Zoom-Veranstaltungen boten eine Art temporären Rettungsring für Institutionen, Künstler*innen und Galerien, um Kunst sowohl zu präsentieren als auch zu vermarkten. In diesem Sinne aktualisiert sich hier ebenfalls die etymologische Herkunft des Begriffs „Resort“, der im Mittelenglischen einen Ort der Hilfe und der Zuflucht bezeichnete.
Origin: Germany
Language: English, German
Pages: 264
Length × Width × Height: 23 × 17 × 1 cm
Article Number: 34227