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Interview mit Fabian Ebeling – Die Epilog

Interview mit Fabian Ebeling – Die Epilog

Egal ob über Protest, die Wiederverzauberung der Welt, ein Leben im Konjunktiv, die Bedeutung von Irrelevanz oder ob über die Generationenfrage, die Epilog lässt alte Kamellen (u.a. die großen Fragen der Menschheit) in neuem Licht erstrahlen. Sie bereitet ihrem Namen alle Ehre und schafft es regelmässig große, bereits immer dagewesene Themen nicht nur anders zu denken, sondern ihnen immer auch etwas Positives abzugewinnen. Das Gesellschaftsmagazin für Gegenwartskultur, das bei ein, zwei (drei, vier…) Bier in einer Eckkneipe in Weimar aus den synaptischen Kurzschlüssen zwischen Mads Pankow, Viola K. Steinberg und Fabian Ebeling entstand, geht in eine neue Runde. Zeit also, ein paar Fragen an die Macher hinter der Die Epilog zu stellen.

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Fabian, eure erste Ausgabe hieß „Nicht resignieren! Irgendwas geht immer“ – das war vor sechs Jahren. Wie steht es denn heute um die Resignation? Tretet ihr immer noch ebenso affirmativ und bejahend dem aktuellen Zeitgeist und der Zukunft gegenüber oder ist der überzeugte Optimismus eher einem sich zufrieden geben mit dem Status quo gewichen?

Ich würde heute vielleicht den Begriff „affirmativ“ nicht mehr verwenden. Das klingt mehr nach: „Alles, was du sagst, ist richtig, egal, was es ist.“ So war das zwar auch nie gemeint, aber man könnte es in den falschen Hals bekommen. Den Optimismus hingegen, den haben wir uns beibehalten. Sonst würden wir dieses Heft nicht mehr machen. Es bringt ja nichts, alles scheiße zu finden. Allerdings denke ich auch, dass wir heute eher ein Heft machen, das sich damit befasst, wie unsere Generation, ich nenne sie mal „Y“, heute Sinn aus der Welt zieht. Diese Welt sieht heute aber verdammt anders aus als jene, in der wir aufgewachsen sind. Wer sich damit zufrieden gibt, dass wir unseren Planeten platt machen, der liest unser Heft vermutlich eher nicht.

Als Gesellschaftsmagazin habt ihr Euch den kleinen, alltäglichen Dingen verschrieben, um ganz nebenbei einen Bogen zu den wirklich großen Fragen dieser Menschheit zu schlagen? Vermessen oder längst überfällig? Wer braucht denn heutzutage ausserhalb der Universität noch Theorie? Ist das nicht ein wenig aus der Zeit gefallen?

Dieser Move von den Alltagsphänomenen in übergeordnete Fragen oder umgekehrt ist ja an sich eine ureigene Denkoperation in der Theorie. Als wir mit der Epilog anfingen, fanden wir das absolut überfällig. Bis zu dem Zeitpunkt sahen wir diese Herangehensweise in keinem anderen Heft befriedigend abgedeckt. Und, die Geste, 2013 als Indiemagazin mit einer Auflage von 11.000 Stück an den Markt zu gehen, klar, die war völlig vermessen. Auch wenn wir heute weniger abstrakt an unsere Themen herangehen, denke ich schon, dass Theorie als jeweiliges Konstrukt ihrer Zeit und was sie uns darüber hinaus mitteilen kann, nie hinfällig ist.

Welche sind die Herausforderungen bei dem Spagat zwischen Alltagsphänomenen und Theorieschnipsel. Kann man nicht jede Theorie auf alles anwenden? Und was macht das mit der Theorie?

Theorieschnipsel sind als Format ein Anker im Heft. Sie sollen im Prinzip das Heft thematisch stützen und etwas zur Genese spannender Ideen erzählen, die im besten Fall auch heute in gewisser Weise Geltung haben. Schön wäre es, wenn man jede Theorie auf alles Mögliche anwenden könnte, aber all diese Ideengebäude haben ja Vorschriften und Regeln, auch wenn man sie noch so schwammig über tausend Seiten ausbreitet. Wenn ich ehrlich bin, beuten wir die Theorie für unsere Themen aus und was das mit der Theorie macht? Keine Ahnung. Ich kann mir aber gut vorstellen, was das mit Menschen macht, die Theorie und sich selbst sehr ernst nehmen. Die werden unser Heft not amused in die Ecke schmeißen – vermutlich (lacht).

Wer denkt denn heute (wirklich) noch? Hat der homo sapiens überhaupt noch etwas zu sagen oder haben Maschinen, Netzwerke und AI’s das Denken übernommen?

Künstliche Intelligenz denkt ja weniger als dass sie rechnet und sie stellt keinen Bezug zur Welt her, wie der Mensch das tut. Das wäre für mich eine Basisoperation des Denkens. Wir nehmen die Welt mit unseren Sinnen wahr und sind in der Lage darüber zu reflektieren. Maschinen hingegen gehen programmierte Schritte durch. Von Denken kann also nicht die Rede sein.

Ihr selbst kommt aus einer, wenn nicht der traditionsreichsten und stilprägendsten Hochschule der Moderne, der Bauhaus-Universität Weimar. Dieses Jahr feiert sie ihr 100-jähriges Jubiläum. Würdet ihr sagen, dass dieser Background Euch geprägt hat? Gibt es so etwas wie ein Erbe, dass man in sich trägt, wenn man in Weimar studiert hat? Die Idee, die Trennung zwischen Kunst und Handwerk, Theorie und Praxis aufzuheben?

Das historische Bauhaus ist etwas anderes als die Bauhaus-Universität Weimar, die heißt erst seit 1996 so. Ich spreche neben mir auch mal stellvertretend für unsere Art Direktion, die seit Beginn der Epilog dabei ist und denke, dass wir vor allem eine gewisse Experimentierfreudigkeit mitgenommen haben. Neben der Lehre, die in allen möglichen Fachbereichen natürlich immer wieder Linien des Bauhauses aufgreift, war es immer auch die Projekt- und Initiativfreudigkeit der Studierenden, die etwas auf die Beine gesellt hat. So ist schließlich auch Die Epilog entstanden. Wenn das bauhausy ist, gern.

In der Die Epilog geht es viel um neue Medien wie Instagram, Youtube usw. Da kommen einem sofort Marshall McLuhan’s weise Worte ins Ohr: ‚The medium is the message’. Welche sind denn die entscheidenden Veränderungen, die unsere Gesellschaft, zu dem gemacht haben, was sie ist oder auch in Zukunft verändern werden?

Es sind nicht zwingend Medien an sich, die Gesellschaftswandel vorantreiben. Sie sind eher Katalysatoren. Was darunter liegt, und das denke ich, sind die entscheidenden Schichten, in denen sich Wandel abspielt. So hat sich die Wahrnehmung der Menschen von Geschwindigkeit oder Räumlichkeit grundlegend über die Zeit hinweg verändert. Nimm, zum Beispiel das Zugreisen. Als Menschen auf einmal in kurzer Zeit von A nach B reisen konnten, zog draußen alles wie ein riesiges Panorama vorbei. Heute scheint das zwar für uns normal zu sein, aber, wenn man es sich genau überlegt, war das ein wahnsinniger ästhetischer Einschnitt in der Raumwahrnehmung. Und damit auch wie wir uns in der Welt verorten. Solche Entwicklungen finden in vielen Lebensbereichen weiterhin statt, nur anders. Man muss heute nicht um die Welt fliegen, um Bushwick in Brooklyn anzuschauen. Es geht ja auch mit Google Street View. Menschen, die heute Angst vor Zuwanderern haben, haben auch Angst davor, dass ihnen ein Platz weggenommen wird, dass es zu eng wird. Die Videos Geflüchteter auf dem Meer, von wegen Medium is the message, sind ja nur Vorboten, die Ankündigung, dass da etwas passiert. Veränderungen passieren nicht von heute auf morgen – auch nicht mit einer neuen App. Dieser technologische Fortschritt scheint so groß, aber oft handelt es sich bei jeder Innovation eher nur um eine Modifikation des Bestehenden. Smartphones zum Klappen, okay, das sind halt Smartphones zum Klappen – nicht mehr und nicht weniger. Die entscheidenden Veränderungen der Zukunft, passieren immer schon im Gestern. Das heisst aber auch, dass sie jetzt, in diesem Moment passieren und Auswirkungen darauf haben, wie wir den nächsten Generationen unseren Planeten hinterlassen. Wir haben ihn von denen nur geborgt.

Und wie kann es sein, dass ihr Euch für ein so klassisches Medium wie das Papier als Kommunikationskanal entscheiden habt?

Deutschland hat einen relativ starken Printmarkt und das war uns Zeichen genug, nicht unbedingt gleich online gehen zu müssen. Es hatte aber vor allem inhaltliche Gründe. Wer Inhalte online konsumiert, weiß, wie schnell man abschweifen kann. Unser Anspruch war es von Beginn an, unsere Themen auf einem begrenzten Raum auszuleuchten. Und was eignet sich dazu besser als das Printmedium. Wir wollten, dass man nach der Epilog-Lektüre das Gefühl hat, einen guten Eindruck zum jeweiligen Thema bekommen zu haben. Im Netz kann es ja manchmal Tage und tausende Suchdurchläufe dauern, bis man die richtige Info oder den fundiertesten Text zu einem bestimmten Thema gefunden hat.

Zwischendurch gab es eine zweijährige Pause. Aus Zeitschrift zum Gesellschaftswandel-Tendenzen der Alltagskultur wurde Zeitschrift für Gegenwartskultur. Wie kommt’s?

Zwischendurch haben wir noch den völlig abgefreakten evil twin der Epilog, „Das Prolog“ gemacht. Ein Heft zu Trivialkultur. Wir wollten auf der Hamburger Indiecon nicht ohne Heft dastehen und hatten sehr viel Freude an dieser Produktion. Davon abgesehen war erstens der Untertitel „Zeitschrift zum Gesellschaftswandel – Tendenzen der Alltagskultur“ viel, viel zu lang. Wir brauchten etwas Knackigeres, das besser beschreibt, was wir ab der Nummer fünf inhaltlich gemacht haben. Gegenwartskultur hat da gut gepasst.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Eure neueste Ausgabe trägt den Titel „Wird schon schiefgehen. Große Pläne“ Wie immer ein entschlossener mithin großspuriger Titel. Wirft man aber einen Blick auf die gegenwärtige politische und gesellschaftliche Lage, hat man eher den Eindruck, dass hier niemand wirklich viel Plan von irgendetwas hat…und wenn, dann einen, der versucht die Zeit zurückzudrehen (Brexit, Mauern, Trump…). Woher kommt der ganze Pessimismus, dem die meisten Menschen verfallen? Ist der neu, ein Symptom unserer Zeit, oder gab es den doch schon immer – nur unter anderen Vorzeichen?

 

Man hat schon den Eindruck, das Leute wie Trump mehr vor sich hinwurschteln als in langen Linien zu denken. Das mag oberflächlich auch so sein. Ob dem ein System zugrunde liegt, wage ich nicht zu beurteilen. Es fällt aber schon auf, dass das Erratische, das Kurzfristige, das, von mir aus, Disruptive à la Cameron, der mit seinem Brexit vermutlich selbst bei den Tories als Depp des Jahrhunderts in die Annalen eingehen wird, dass dies immer etwas mit Machtkalkül und Machterhalt zu tun hat. Und das ist, klar, ein Muster, dass es immer gab und das es auch immer geben wird. Pervers ist natürlich, dass zum Beispiel Trumps Wählerbasis all das Rückwärtsgewandte vermutlich als Fortschritt versteht. Ich glaube, solche Dinge kommen in Wellen, die sich im besten Fall wieder glätten. Solche Figuren wie Trump sind natürlich nichts Neues, es geht eher darum, wie sie die ihnen zur Verfügung stehenden Dispositive verwenden, wie sie den Apparat steuern, welche Gesetze unter ihnen erlassen werden, wie sie welche Medien nutzen. Diese Figuren wird es (leider) immer geben, ebenso wie es auch immer Menschen geben wird, die sie wählen. Keine Ahnung, woher deren Pessimismus kommen mag, aber es ist sicher nicht der Pessimismus, der sie zur Wahl bewegt, sondern die Zuversicht, das X, Y oder Z es besser machen als die anderen, die vorher dran waren.

Kann denn überhaupt noch die Rede sein von großen Plänen in einer immer komplexer werdenden Zeit?

Ich glaube, wir reden uns auch ganz schön ein, dass alles komplexer wird. Vielleicht sollten wir uns da mal locker machen. Trotzdem finden gerade Veränderungen statt, von denen wir noch nicht absehen können, was sie morgen bringen werden. Offensichtlich gelingt es Ländern wie China ganz gut, große Pläne wie die neue Seidenstraße umzusetzen. Ob die Art und Weise und das politische System dort den demokratischen Gesellschaften nun gefällt oder gefallen muss, sei dahingestellt. Davon abgesehen ist die Frage nach großen Plänen auch immer die Frage der Skalierung: Wann ist ein Plan wirklich groß? Welche Bedeutung hat er für die Planenden? Und wer plant wann, wo, was? Um nochmal auf die Generationsschau zurückzukommen haben wir, glaube ich, in unserer aktuellen Ausgabe festgestellt, dass wir uns in unserer Blase ganz gut mit einer wenig aufregenden Mittelfristigkeit arrangiert haben.

Danke Dir Fabian. Die neueste Ausgabe ist seit dem 09. Mai im Handel erhältlich. Hast Du als Epiloge noch ein letztes Wort?

Frei nach Chris Sergeant, der für unsere aktuelle Ausgabe schreibt, sage ich doo bee da bee bo ba BAP badabadibada, POW.

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